ndr macht Wahlkampf

Anmoderation Schleswig-Holstein Magazin 2.8.2009: „Woher rührt die tiefe Abneigung in unserem Land zwischen Links und Rechts. Eine Zeitreise in die Gefühlswelt der Politik.“

Text auf der ndr-Webseite zu diesem Beitrag – plötzlich wird aus „Links und Rechts“ CDU und SPD   „Zeitreise: Dickköpfe hinter den Deichen – CDU und SPD in Schleswig-Holstein“

Es folgt ein Bericht, den der ndr dem „Tagesspiegel“ vom26.07.2009 geklaut hat: „Verleumdung hat Tradition
Politische Verleumdung hat in Schleswig-Holstein eine gewisse Tradition – hier spielte sich vor gut 20 Jahren der Barschel-Skandal ab.“

Der NDR hat dazu den 89jährigen Alt-Spiegel-Journalisten Rudolf Asmus bemüht, der erzählt, wie sich die Parteien in Schleswig-Holstein seit Kriegsende erbittert bekämpft haben. Dabei werden die Sozialdemokraten als die Guten dargestellt und die Christdemokraten werden mit Nazis verglichen.   Ja. Mit Nazis. Unfassbar? Gezeigt wird ein altes Landtagsbuch mit Fotos und Biographien der Landtagsabgeordneten. Erst wird Karl Ratz gezeigt, dann wird Peter Ludwig Petersen gezeigt. Aus dem NDR-Film:
Asmus findet das ganz offen in den Landtagsbüchern der Nachkriegszeit. Da steht zum Beispiel der KZ-Häftling Karl Ratz, der die Kieler SPD gründete. „Hier einer aus dem KZ heimgekehrter und da ein Altnazi, Bauer, mit allen Angaben über sich..“ (gezeigt wird die Vitae von Petersen, Peter Ludwig, ehemals Mitglied der NSDAP, Mitglied der DP und Mitglied des SHB kann ich entziffern, das wird Schleswig-Holstein Block heißen. Peter Ludwig Petersen, , finde ich im Internet, saß als Fraktionsvorsitzender der SHB Landtagsfraktion im Landtag von Oktober 54 bis Oktober 58, er saß zusammen mit Karl Ratz im Landtag, der war erster Vizepräsident des Landtages bis 1958.) Asmus: „Das ist die Geschichte, Klassenkampf in Schleswig-Holstein.“

Ja, die Analyse von Rudolf Asmus trifft wohl zu. Ebenso die Analyse von Dieter Hanisch im Tagesspiegel.

Was mich nur mal wieder ärgert, ist der ndr. Unter der Überschrift Zeitreise: Dickköpfe hinter den Deichen – CDU und SPD in Schleswig-Holstein sollte man doch davon ausgehen, dass es jetzt um die CDU und die SPD geht. Aber.. es wird ein belasteter Altnazi im Bild gezeigt und der gehörte gar nicht der CDU an. Hmm. Dem gegenüber gestellt wird das KZ-Opfer Karl Ratz, der in Kiel die SPD gründete. Nanu. Dann stimmt aber die Überschrift „CDU und SPD in Schleswig-Holstein“ so nicht. In dem ndr-Film wird darauf hingewiesen, dass noch bis 1971 CDU-Ministerpräsidenten und einige Kabinettsmitglieder eine Nazi-Vergangenheit gehabt hätten. Das ist schlimm und macht betroffen. Soll es auch. Die Frage stellt sich mir nur, ob denn die Sozialdemokraten so gar nichts mit dem DDR-Regime oder der großen Partei in Moskau zu tun hatten. Davon höre und sehe ich in den ndr-Film nichts.

Also hier die Guten (Sozialdemokraten) und dort die Bösen (Christdemokraten).

Was mich noch sehr wundert: Ich dachte bisher, ich könnte der Webseite vom ndr glauben. Wenn dort der Text eines Filmes abgedruckt ist, dann ist das auch wortwörtlich so im Beitrag vom Journalisten oder vom Interviewten gesagt worden. Ich dachte, ich könne das dann so kopieren und übernehmen. Jetzt komme ich durch diesen Film darauf, dass das gar nicht stimmt. Im online Text stehen Sätze, die so gar nicht gesagt und Worte, die so im Beitrag nicht formuliert wurde. Dieser Unterschied war mir bisher noch nie aufgefallen.

Das heißt: Man muss die Beiträge in der Mediathek selbst mitschreiben. Nur dann kann man dem Text auch trauen.

Der Bericht auf der ndr-Webseite zeigt auch ein Foto. Und dieses Foto kommt in dem Filmbeitrag überhaupt nicht vor! Es zeigt Peter Harry Carstensen von hinten. Und dann den Filmbeitrag über die alten Nazis. Ich fasse das nicht. Das ist eine Frechheit.

Mein persönliches Fazit: Der ndr-Beitrag rückt die CDU von heute in die Nazi-Ecke. Dagegen die einzigartigen Gutmenschen der Sozialdemokraten – mit blinkendem Heiligenschein.  So macht der ndr Wahlkampf.

Falscher Eindruck erweckt

Heute Vormittag schaue ich mir die Debatte im Kieler Landtag an. Es geht um den Antrag der CDU auf eine Auflösung des Landtags. Die Fraktionsvorsitzenden der Parteien stehen nacheinander am Rednerpult, CDU, SPD, FDP, Grüne und SSW. Das gesamte Kabinett ist anwesend. Und viele Staatssekretäre. Wer NICHTS sagt, ist der Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Kerstin Tewes vom NDR sagt nach der Sitzung, das sei auch so gewollt gewesen. Der Ministerpräsident hätte absichtlich die Reden während der Debatte um den Antrag den Landtagsabgeordneten überlassen.

Nachmittags  höre ich Nachrichten auf NDR-Info. Bericht über die Debatte in Kiel, Ralf Stegner hätte etwas gesagt und Peter Harry Carstensen hätte das abgelehnt oder zurückgewiesen, die genaue Formulierung weiß ich nicht mehr. Ich denke, ich höre nicht richtig. Peter Harry Carstensen hatte während der gesamten Landtagssitzung nicht einmal das Wort ergriffen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende hat als erster gesprochen und nicht noch einmal das Wort ergriffen, um für den Ministerpräsidenten zu sprechen. Vielleicht hat der Ministerpräsident ja nach der Debatte dieses oder jenes zu den Journalisten gesagt. Aber nicht während der Debatte. Ich habe die Live-Übertragung der gesamten Debatte gesehen. Ich weiß nicht, was der NDR-Redakteur gesehen hat. Auch die gleiche Debatte?

Heute Abend sehe ich im Fernsehen Ausschnitte aus der Debatte, ich glaube, es war im Schleswig-Holstein Magazin. Zu meiner Verwunderung wird erst der Redner Johann Wadephul gezeigt, dann Ralf Stegner, dann wieder Wadephul – es sieht so aus, als wenn dort eine Diskussion gezeigt wird. So war es aber gar nicht. Erst sprach Wadephul, dann Stegner, dann Kubicki, dann Hentschel, dann Spoorendonk. Dann war Schluss der Debatte. Keine Diskussion, keine Antworten.

Mit dieser Berichterstattung wurde der falsche Eindruck erweckt, als hätte es im Kieler Landtag einen Schlagabtausch zwischen Carstensen und Stegner gegeben.

Der große Knall

Mein Mann kommt gegen 19 Uhr nach Hause.  Er stellt den Motor ab und bleibt noch einen Augenblick im Auto sitzen. Er hört offenbar Nachrichten im Radio. Ist etwas passiert? Ich öffne ihm die Haustür. „Ministerpräsident Carstensen hat die Koalition aufgekündigt! Es gibt Neuwahlen, vielleicht zusammen mit der Bundestagswahl!“

20 Uhr – eine erschütterte und kleinlaute Kerstin Tewes (ich vermute, sie hat ein SPD Parteibuch, weil sie sich mit vielen Sozialdemokraten duzt) vor der Kamera. Die Nachricht hätte in Kiel eingeschlagen wie eine Bombe.. Ich bin sprachlos. Wir stellen den Fernseher um 20:00 Uhr an, NDR3-Fernsehen bringt sogar eine Sondersendung. Um 22.17 Uhr Nachrichten der Tagesschau. Tom Buhrow bemüht sich um halbwegs faire Moderation. „Die Nachricht kam heute kurz vor 19 Uhr: Rot und Schwarz trennen sich. In der Kieler Landesregierung gibt es große Risse und die sind zum großen Teil persönlich begründet..“ “

Dann ein Kommentar von Christioph Lütgert  NDR-Chefreporter: „Klar doch, dass die CDU gerade jetzt die Koalition in Kiel beenden will, schöner kann es gar nicht kommen! Denn wenn die Koalition aufgelöst wird, ist auch Schluss mit dem lästigen Untersuchungsausschuss im Landtag, der sollte herausfinden, wer letztlich verantwortlich ist für jenen Skandal, dass die Landesbank HSH Milliarden vom Steuerzahler braucht und dass zugleich der Chef des Pleiteunternehmens eine millionenschwere Sonderzahlung bekommt. Das könnte für Ministerpräsident Peter Harry Carstensen höchst peinlich werden. Die CDU will am 27. September, dem Tag der Bundestagswahl, auch in Schleswig-Holstein abstimmen lassen. Dann dürfte sich der umstrittene Carstensen über Rückenwind und Wahlkampfhilfe von Angela Merkel freuen. Das die SPD gerade jetzt keine Neuwahlen an der Förde will, liegt ebenso auf der Hand. Überall ist sie im Stimmentief, eine Doppelwahl zusammen mit der Bundestagswahl kann für Genossen auch in Kiel zu einem grausamen Debakel werden. So stimmten die Sozialdemokraten unter Parteichef Stegner einer Auflösung des Parlaments nicht zu. So müsste Carstensen, um Neuwahlen zu erzwingen, die SPD-Minister seines Kabinetts entlassen. Diesen Umweg will er eigentlich nicht gehen. Doch würde, nachdem die CDU es heute soweit getrieben hat, weiter gewurstelt in einem schwarz-roten Bündnis, dass kein Bündnis mehr ist, die Politik in Schleswig-Holstein verkäme zum Dauer-Rüpelspiel. Egal, was Ralf Stegner eben gesagt hat. Zu oft und zu lange schon haben der onkelhafte CDU-Ministerpräsident und der rote Rambo Stegner bewiesen, dass sie einfach nicht miteinander können. Was in Kiels großer Koalition läuft oder nicht mehr läuft ist auch ein Signal für Berlin. Das ist nicht das Schlechteste, denn bisher drohte der anstehende Bundestagswahlkampf stinklangweilig zu werden. Jetzt vielleicht nicht mehr!“.

Lütgert unterstellt Carstensen, dass er sich mit der HSH-Nordbank schuldig gemacht hat und den Untersuchungsausschuss fürchten muss und aus dieser Angst heraus die Koalition platzen läßt. Genauso könnte der Untersuchungsausschuss negatives über die SPD herausbringen. Davon redet Lütgert nicht. Mir gefällt die SPD-Lastigkeit dieses Kommentars überhaupt nicht. Der „onkelhafte“ Ministerpräsident kommt bei der Bevölkerung bestens an. Das ist eine sehr herabsetzende Bemerkung.

Onkelhaft – das Wort wird meistens abwertend gebraucht. Der Duden sagt, es bedeutet „gönnerhaft“ und „herablassend“.  Warum muß man jemand, der ein freundliches, sympathisches und gradliniges Naturell hat, so abqualitizieren?
Und was soll die Sache mit dem drohenden Untersuchungsausschuss, als wenn die CDU mit schlechtem Gewissen und aus Feigheit vor möglichen Enthüllungen die Koalition platzen lässt. Dahinter steht die Unterstellung, man hätte seitens der CDU Unrechtes getan und müsste einen Untersuchungsausschuss fürchten.
Und was soll die Bemerkung von dem „umstrittenen“ Carstensen? Carstensen ist keineswegs umstritten. Umstritten ist Stegner. Carstensen hat ausgezeichnete Umfragewerte, ganz im Gegensatz zu Stegner.
Und was soll die Bemerkung von dem „Rückenwind“ und Wahlkampfhilfe durch Angela Merkel? Höre ich da so etwas wie Neid beim Chefreporter ? Frank Walter Steinmeier wird sicherlich seine SPD gleichfalls nach Kräften unterstützen.
Was soll die Formulierung, die CDU müsste SPD-Minister entlassen, um Neuwahlen zu „erzwingen„. Die arme SPD wird zu etwas gezwungen? Mir kommen die Tränen. Mal sehen, ob Peter Harry Carstensen tatsächlich SPD Minister entlässt, ich denke, er wird den Weg der Vertrauensfrage gehen.
Und was soll die Bemerkung, dass der anstehende Bundestagswahlkampf drohte stinklangweilig“ zu werden? Wahlkampf ist demokratische Information, ein Wettstreit unter Gleichberechtigten, keine Volksunterhaltung, kein Entertainment. Da hat der Chefreporter die Demokratie und seinen Auftrag an faire Berichterstattung falsch verstanden.