Pfeifen im dunklen Wald

31.07.2009 – NDR Schleswig-Holstein Magazin. SPD Parteitag. Wahl des Spitzenkandidaten. Redakteur Klaus Albert in Lübeck: „In wenigen Minuten wird das mit Spannung erwartete Ergebnis hier verkündet werden. Die Frage ist, wieviel Prozent über 90, das ist die erwartete Zielmarge, erreicht Ralf Stegner?“

Kurz vor 20 Uhr schaltet der NDR wieder zum Parteitag. Klaus Albert: Vor wenigen Minuten ist das Ergebnis hier verkündet worden. Ralf Stegner hat 92 von 103 Stimmen erhalten, das sind 89,3 Prozent. Dennoch gab es hier großen Jubel für den neuen Spitzenkandidaten.“

Peter Harry Carstensen wurde am 18.05.2009 auf der Landesdelegiertenversammlung  mit 92,2 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gewählt.

„Großen Jubel“ gab es also für Ralf Stegner. Obwohl sein Ergebnis schlechter war als das von Peter Harry Carstensen.
Kommt mir so vor, wie Pfeifen im dunklen Wald, um sich Mut zu machen. Man fragt sich, wieso gejubelt wurde. War befürchtet worden,  dass das Ergebnis für Stegner noch viel schlechter ausfallen könnte? Vermutlich. Erleichterung hatte vermutlich Jubel ausgelöst.

Der unbeholfene Bauer

Stegner in den Lübecker Nachrichten vom 31.07.2009 auf die Frage, wie er seinen CDU-Rivalen Carstensen „angehen“ will: Wir werden einen sachbezogenen Wahlkampf führen, der sich persönlicher Angriffe auf einzelne Personen enthält. Es geht um die Zukunft des Landes – und nicht um das Personal anderer Parteien.

Aha, der Vorsatz ist gut – allein da werden die Genossen wohl nicht mitziehen.

Dr. Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der SPD-Linken im Bundestag am 16.7.2009 in der Süddeutschen: . „Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ist ein Spalter des Landes und betreibt die Machtpolitik eines altgewordenen Gutsherrn„, „er behandelt die SPD, als wenn sie die Schill-Partei von Hamburg wäre. Das lassen wir uns als Sozialdemokraten nicht bieten.“

Heide Simonis giftet Carstensen in focus-online am 17.7.09 an, er sei: „harmoniesüchtig und nicht konfliktfähig. Das mag menschlich sympathisch sein, politisch ist das aber fatal.“

Carstensen der Bauer“ hörte ichvorgestern von einem Edel-Sozi im feinen Hamburger Pöseldorf. Der Carstensen sei „ja so unbeholfen“. Live gesehen und gehört hat er ihn aber noch nicht. Carstensen spricht wohl nicht das feine Pöseldorfer Hamburgisch und er hat auch nicht die hanseatische Körpersprache. Hat er auch nicht nötig.

Ralf Stegner in einem NDR-Interview am 31.07.2009 zur Entlassung der SPD-Minister durch PHC: „Man hat ja im Grunde die besten Leute von Bord gejagt – obwohl der Kapitän die Orientierung verloren hat!“

Demütigung

Heute ist es also passiert. Der von den Schleswig-Holsteinern allseits beliebte Ministerpräsident wurde von der SPD am Dienstag gezwungen, im Landtag die Vertrauensfrage zu stellen. Heute, am Donnerstag, war die entscheidende Abstimmung. Vor der Landtagssitzung gab es Fraktionssitzungen der Parteien. Martin Kayenburg – Landtagspräsident – CDU – erklärte, er könne und wolle sich nicht der Stimme enthalten. Er würde PHC das Vertrauen aussprechen. Er blieb dann der einzige Abgeordnete, der mit „JA“ stimmte. Alle anderen CDU-Abgeordneten enthielten sich der Stimme und sämtliche übrigen Abgeordneten von SPD, FDP, Grünen und SSW stimmten mit „Nein“. Es war eine sehr demütigende Situation für den Ministerpräsidenten. So etwas vergisst man nicht. Auch als Zuschauer am Fernseher nicht.

Der NDR überträgt live mit ndr-aktuell-extra. In der Anmoderation wiederholt Susanne Stichler: „Für viel Wirbel hat ja diese Woche auch die Entlassung der 4 SPD-Minister gesorgt, das ging ganz schnell, sie mussten innerhalb von 24 Stunden ihre Büros räumen, das sei respektlos gewesen, heißt es immer wieder von der SPD.“  Respektlos? Nein, das ist ein ganz normaler Vorgang, der von der SPD und den ihr nahestehenden Medien nach Kräften aufgebauscht wird, um Stimmung gegen die CDU zu machen. So hoffen sie, doch noch beim Wähler zu punkten.

Die Reden vorher.. PHC hielt eine sehr gute Rede. Er führte noch einmal auf, wie es zum Ende der großen Koalition gekommen war, dass ihm die Entlassung der 4 SPD-Minister nicht leicht gefallen ist, dass er sie menschlich schätzt. Lothar Hai war dort, Gitta Trauernicht-Jordan und Ute Erdsiek-Rave. Ex-Minister Döhrung war nicht gekommen, obwohl er es von Neumünster aus nicht weit gehabt hätte und ein Platz auf der Zuschauer-Tribüne wäre für ihn garantiert frei gehalten worden. Aber ohne Dienstwagen ist das wohl schwierig. Er ist auch kein Landtagsabgeordneter, insofern wäre er Zuschauer gewesen, kein Akteur. Gitta Trauernicht-Jordan grinst permanent vor sich hin. Sie wird nur einmal ärgerlich, als sie von Wolfgang Kubicki hart angegriffen wird. Lothar Hai wirkt ernst und nachdenklich. Ute Erdsiek-Rave wirkt ebenso sehr ernst.  Während der Reden von PHC, Wadephul und Kubicki höre ich öfter Zwischenrufe einer Frauenstimme. Ich vermute, es ist die stv. Landtagspräsidentin Frantzen.  Bin mir aber nicht ganz sicher. Es ist im Fernsehen nicht auszumachen, woher die Stimme kommt.

Die Rede von PHC habe ich mir live und  in der NDR-Mediathek zweimal angesehen. Einmal die von Stegner, Wadephul, Kubicki, Hentschel und Sporendonk. Wadephul war wesentlich besser drauf als letzte Woche. Stegner wie erwartet angriffslustig, genauso Kubicki. Hentschel ging für mich überraschend hart mit Carstensen ins Gericht. War wohl sauer, dass die CDU die Koalition mit der FDP sucht und nicht mit den Grünen wie in Hamburg.  Sporendonk redete der SPD nach dem Mund und biederte sich an – wie immer. Das alte Lied.

Nach den Reden eine halbstündige Pause vor der entscheidenden Abstimmung. Im Foyer stehen drei Bistrotische. Daran Kerstin Tewes, PHC und Stegner. Tewes interviewt. Redet davon, dass die schwarzgelbe Koalition rein rechnerisch nach den Umfragen nur eine hauchdünne Mehrheit hätte. Nein, sagt PHC, das stimmt nicht. Wir haben eine 5-Stimmen Mehrheit – das ist keine „hauchdünne“ Mehrheit!.

Im Radio höre ich dann von irgend einem Journalisten einen Kommentar. Das Abstimmungsergebnis sei wie erwartet ausgefallen. Jetzt ginge es zur Sache. Ein harter Wahlkampf würde folgen, vermutlich würde da mit allen Mitteln gekämpft. PHC hätte schon 2005 eine sicher geglaubte Mehrheit in den Sand gesetzt, er wird auch jetzt Fehler machen, wie die Sache mit den geschassten Ministern, das wird ihn vielleicht die entscheidenden Stimmen kosten. Ja, genau das ist Ziel der SPD-nahen Kampfpresse.

Abends noch mal ein Interview mit PHC im Foyer – nach der Regierungserklärung in Sachen Kernkraftwerk Krümmel. CvB hat seine Sache offenbar ganz ausgezeichnet gemacht. Alle sind des Lobes voll. Das freut mich sehr für ihn. Die Journalisten versuchen PHC zu der Aussage zu bewegen, dass er  – sollten die Wahlen erneut auf eine große Koalition hinauslaufen – eher zurück tritt als es erneut mit Stegner zu versuchen. Dann gäbe es einen Ministerpräsidenten Christian von Boetticher. „Herr Boetticher“ sagte seine Vorgängerin während ihres Redebeitrages im Landtag. „Herr Boetticher“? Dr. von Boetticher. So viel Zeit muß sein.

Es war ein ereignisreicher Tag. PHC antwortet auf eine Frage Kerstin Tewes, dass auch an ihm so ein Tag nicht spurlos vorüber geht. Ich kann es verstehen. Die (von der SPD verlangte) namentliche Abstimmung war eine Demütigung für den gradlinigen Carstensen. Und genau so war es auch gedacht. Als Demütigung.

Kerstin Tewes wünscht PHC einen guten Urlaub. Urlaub? Ich bin überrascht. Vielleicht braucht er ihn aber. Vielleicht fährt er ja nicht so lange mit seiner Lebensgefährtin weg. Mal sehen. Also.. ich hätte jetzt nicht so die rechte Ruhe für einen Urlaub. Andererseits – wenn schon Urlaub, dann jetzt sofort, wo sehr viele Schleswig-Holsteiner auch nicht zu Hause sind. Ob Stegner wohl Urlaub macht? Mal sehen. Twitter lesen.

Was schert mich mein Twitter von gestern?

Kieler Nachrichten online 17. Juli 2009: Es gibt immer wieder – nicht nur aus der CDU, sondern auch aus Ihren eigenen Reihen – Kritik an Ihrem provokanten Politikstil. Meinen Sie nicht, dass Sie an dem Koalitionsbruch auch einen Anteil haben? Stegner: Manchmal formuliere ich vielleicht etwas schärfer als das klug ist. Und nicht jede Twitter-Meldung würde ich in derselben Form ein zweites Mal schreiben. Dennoch, hier geht es nicht um solche Lappalien.

Twitter – Meldungen von Ralf Stegner

Moin aus SH.Medien zeigen Retro allenthalben:Politik und Publizistik im Stil vom SH der 70er,80erJahre bevor Bjoern Engholm aufgeklart hat! 9:08 PM Jul 14th from TwitterFon

Seriositaet hat es schwer,ist weder sexy für Medien noch schrill wie Opposition und auch nicht nur machtorientiert wie andere! 10:22 AM Jun 30th from TwitterFon

Wir sind die Guten – die anderen wollen Atom,Bildungsgebuehren, keinen Mindestlohn und schwachen Staat!#ssp09stegner 7:13 AM Jun 25th from TwitterFon

Die feine ZEIT versucht sich heute an einem Psychogramm der Politik in SH.„Der Bauer und das Biest„.Sueffig geschrieben,Analyse mit Fiktion. 11:07 PM May 19th from TwitterFon

In d.Natur steht schwarz-gelb für Wespenstich ind.Politik für Sonnenstich!Das eine schmerzt individuell,das andere tut ganz Deutschland weh!6:17 AM Apr 20th from TwitterFon

Veröffentlicht in Politik, Uncategorized. Schlagwörter: , , . Leave a Comment »

Das glaube ich nicht..

Sonnabend, 18. Juli 2009, 10.20 Uhr. Ich höre NDR-Info. Es wird über das Ende der Koalition im Kieler Landtag berichtet. Ralf Stegner höre ich im O-Ton. Er sagt, die SPD hätte ihn persönlich angegriffen. Die SPD wird aber während des Wahlkampfes nicht mit genauso verfahren. Persönliche Angriffe auf den politischen Gegner werde es nicht geben, das könne er für seine SPD sagen.

Aha. Meinungsumfragen haben ergeben, dass die Bürger in Schleswig-Holstein Ralf Stegner für charakterlich ungeeignet für das Amt eines Ministerpräsidenten halten. Und nun soll die CDU in einer Art „Gentlemen´s  Agreement“ auf dieses ganz wichtige Argument verzichten?

Außerdem glaube ich nicht, dass es im Wahlkampf keine persönlichen Angriffe auf Peter Harry Carstensen geben wird.

Was hetzte da vorgestern noch Ernst Dieter Rossmann, MdB, Sprecher der SPD-Linken im Bundestag, in der Rheinischen Post vom 16.7.2009: „Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ist ein Spalter des Landes und betreibt die Machtpolitik eines alt gewordenen Gutsherrn. Er behandelt die SPD, als wenn sie die Schill-Partei von Hamburg wäre. Aber das lassen wir uns als Sozialdemokraten nicht bieten!“

Hmm.. soweit zu den ins Persönliche gehenden Angriffen, die es angeblich nicht von der SPD geben werde.

Hybris, Streitsucht, Querulantentum..

Morgens früh – wir liegen um 7.20 Uhr noch im Bett und hören Radio. Redakteur Sven Hasenclever moderiert NDR-Info.  Hasenclever analysiert Ralf Stegner so: „Eine Neigung zum Querschießen scheint sich mit der Neigung zum Rechthaben zu überschneiden!“

Hasenclever interviewt Klaus Möller, den früheren Landeschef der SPD in Schleswig-Holstein. Hasenclever sagt, Stegner sei nicht ganz unbeteiligt daran gewesen, die SPD in eine gewisse Lage manövriert zu haben. „Hybris, Streitsucht, Querulantentum, das wird Stegner häufig nachgesagt, ist er wirklich frei von diesen Dingen?!“. Möller windet sich. Es gäbe im Koalitionsvertrag Punkte, wo man anderer Auffassung sei und darüber müsse man kontrovers streiten können. Allerdings müsse man Beschlüsse einhalten. Hasenclever hakt nach: „Das ist ja ein Punkt der Stegner vorgeworfen wird. Dass er in Interviews immer von unangenehmen Beschlüssen der Koalition abgerückt ist, die er zuvor mitgetragen hat!“ Möller windet sich. Hasenclever: „Zum Beispiel die beschlossenen Gehaltskürzungen für Beamte, die hat er hinterher in Frage gestellt und die höhere Beteiligung der Eltern an der Schulbeförderung, davon wollte er hinterher nichts mehr wissen! Ist das eine schöne Strategie?“ Möller windet sich. Es müsse in der Politik erlaubt sein, Entscheidungen hinterher zu hinterfragen, waren sie richtig oder nicht. Hasenclever fragt: „Hat Stegner denn gar nichts falsch gemacht?“ Möller: „Also.. öh.. ich denke..mm..öh.. dass im Nachherein man sagen kann, der eine oder andere Punkt ist vielleicht.. öh.. zu stark zugespitzt gewesen, das sieht Herr Stegner auch so.“